Gemeinsames Positionspapier der Bau-Innungen Aschendorf-Hümmling, Leer-Wittmund, Cloppenburg
Die aktuelle Lage in der Baubranche ist für viele unserer Handwerksbetriebe äußerst herausfordernd. Diese Entwicklung hat auch enorme gesellschaftliche Auswirkungen.
Darüber hinaus gibt es seit dem 14.12.2023 einen völlig überraschenden Förderstopp für den klimafreundlichen Neubau. Es sind keine neuen Anträge für das KFN-Programm bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) mehr möglich. Das ist katastrophal.
Nachfolgend das gemeinsame Positionspapier unser Baugewerks-Innung Aschendorf-Hümmling mit den Bau-Innungen Leer-Wittmund und Cloppenburg.
„Wenn es der Baubranche nicht gut geht, hat das große gesellschaftliche Auswirkungen in alle Richtungen.“
Gerrit Terfehr, Uwe Tellkamp und Matthias Schöning. Obermeister und Bauunternehmer
Wohnraum für Familien schaffen – aber wie?
Es gibt gute Förderprogramme, den 14-Punkte-Plan der Regierung und trotzdem ist es den wenigsten Familien in Deutschland finanziell möglich, ein Haus zu bauen. Wie kann das sein?
Zeynep, 32, arbeitet als Krankenschwester, ihr Mann Felix, 30, ist Polizist, beide arbeiten in Vollzeitjobs. Sie haben ein 2‑jähriges Kind und würden gerne weitere Kinder planen, doch aktuell wohnen sie in einer zu kleinen Wohnung in Leer. Ihr Wunsch ist es, in Aurich ihr Eigenheim zu bauen, Grundstück und Pläne sind vorhanden – und noch vor einigen Jahren war so ein Vorhaben gut realisierbar. Heute ist ein Hausbau mit einem Netto-Jahreseinkommen von 50.000 Euro, wie bei Zeynep und Felix der Fall, nicht finanzierbar. Eine größere Mietwohnung für vier Personen gibt es in der Region schlichtweg nicht.
Kein Zuhause für Zeynep, Felix und ihr Kind – keine Perspektive für die Familienplanung
Die aktuellen Rahmenbedingungen für den Wohnungsbau führen zu großen Ungerechtigkeiten, insbesondere für unvermögende junge Familien, denen somit auch die Sicherheit in der Familienplanung fehlt. So wie Zeynep und Felix geht es vielen Familien, die Wohnungsnot ist inzwischen in allen gesellschaftlichen Schichten und auch in ländlichen Regionen angekommen. Die sozialen Auswirkungen sind verheerend. Mieten steigen überall, Bauen ist für Durchschnittsverdiener nicht finanzierbar. Die Politik muss den Wohnungsbau viel gezielter unterstützen – hier geht es nicht nur um die Arbeitsplätze in der Baubranche, sondern darum, dass der vom Grundgesetz geschützte Wohnraum für die Menschen überhaupt erst wieder erreichbar wird. „Familien werden auf dem Wohnungsmarkt im Stich gelassen. Die Probleme der Mittelschicht werden ignoriert“ zitiert Bauunternehmer Matthias Schöning, einen Kommentar zu dem Wahlergebnis in den Niederlanden. „Wir wollen/sollten hier nicht die gleichen Fehler machen und damit das rechte Lager stärken.“
https://www.tagesschau.de/kommentar/wilders-gewinnt-wahl-niederlande-100.html
Mit den hohen Zinsen wird wenig gebaut, die Branche leidet und das Personal wandert ab
Der rasante Zinsanstieg trifft vor allem die Baubranche, viele private und institutionelle Wohnbauprojekte geraten in Finanzierungsnot. Durch den Zinsanstieg entsteht ein Paradox: Für die Beschäftigten im Wohnungsbau fehlt aktuell die Arbeit, obwohl der Bedarf von 400.000 Wohneinheiten pro Jahr die Bau-Kapazitäten eigentlich jetzt schon überschreitet. „Viele Firmen schicken ihre Leute schon in Kurzarbeit, das kann aber nicht die Lösung sein“, sagt Bauunternehmer Uwe Tellkamp. „Im Gegenteil: Unsere Angestellten können nicht von 60 bis 67 Prozent ihres Einkommens leben. Das Personal wandert ab und kommt nicht zurück.“ Personalknappheit bedeutet, dass die Baubranche den in Zukunft steigenden Bedarf noch weniger decken kann. „Wir brauchen jetzt Aufträge, um das Personal zu erhalten!“
Es gibt Lösungsansätze – Wohnen sollte Priorität haben
„Es braucht jetzt sofort praktische Fördermaßnahmen“, meint Bauunternehmer Gerrit Terfehr. Das 14 Punkte Programm der Bundesregierung ist schon mal ein Anfang, jedoch ist vieles davon nicht kurzfristig umsetzbar. Eine zusätzlich wirksame Maßnahme wäre beispielsweise, die EH40 Anforderung aus dem Förderprogramm für Familien („WEF 300“) zu streichen. Der höhere EH40-Standard kann dann bei zusätzlicher Inanspruchnahme vom Programm 297 erreicht werden. Diese Maßnahme würde den zinsgünstigen Kreditanteil nochmal deutlich erhöhen und gleichzeitig EH40-Standards in den Häusern etablieren.
Aktuelle Haushaltsplanungen müssen richtige Prioritäten setzen!
Die Unsicherheit in der aktuellen Haushaltslage muss schnellstmöglich beseitigt werden. Die bauwilligen Privathaushalte aber auch wir Betriebe brauchen Planungssicherheit für die vorgenannten Maßnahmen — wie sonst sollen wir Betriebe unser Personal und unsere Investitionen planen?
Die knappen Haushaltsmittel müssen daher gezielt in die Bereiche Bauwirtschaft, Infrastruktur und Digitalisierung gelenkt werden.
Um das Problembewusstsein bei der Politik zu aktivieren, sind Handlungen notwendig. Wir werden regelmäßig Infoschreiben an Politiker versenden. Gespräche mit Politikern führen. Die Presse informieren. Gemeinsame Aktionen sind geplant.
Uwe Tellkamp, Bauunternehmer und Obermeister der Bauinnung Leer-Wittmund
Gerrit Terfehr, Bauunternehmer und Obermeister der Bauinnung Aschendorf-Hümmling
Matthias Schöning, Bauunternehmer und Obermeister der Bauinnung Cloppenburg
Die Situation ist sehr ernst. Es sind jetzt endlich Lösungen gefragt. Wir bitten dringend um Unterstützung für unsere örtlichen Handwerksbetriebe im Bau- und Ausbaubereich